Hohe Rückrufquoten wirken sich auf den Versicherungsmarkt aus

Insbesondere Kraftfahrzeug-Zulieferer leiden unter knappen Kapazitäten und hohen Prämien

Immer mehr Pkw, Lkw und Zweiräder sind von Rückrufen betroffen. In Deutschland zählte das Kraftfahrtbundesamt im Jahr 2021 insgesamt 3,4 Millionen Fahrzeuge, die aus Sicherheitsgründen in die Werkstätten beordert wurden – zwölf Prozent mehr als im Jahr 2020. Auch weltweit steigen die Rückrufquoten. Die Zulieferindustrie spürt deshalb Nachteile auf den Versicherungsmärkten. Als Versicherungsmakler für die Industrie versuchen wir mit allen zur Verfügung stehenden Kompetenzen, diese Entwicklung marktkompatibel abzufedern.  


Rückrufquoten steigen an

Setzt man die Zahl der in Rückruf befindlichen Fahrzeuge mit den Neuzulassungen ins Verhältnis, erhält man die sogenannte Rückrufquote. Seit Jahren zeigt diese Zahl, dass international betrachtet mehr Fahrzeuge von den Herstellern zu Nachbesserungen in die Werkstätten geholt werden, als neue Pkw, Lkw oder Zweiräder zugelassen werden. In Deutschland liegt die Quote ausweislich einer Neuzulassung von 2,62 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2021 bei rund 130 Prozent.

Weltweit wird der US-amerikanische Automarkt als ein sehr wichtiger Referenzmarkt angesehen, weil dort aufgrund des hohen Klagerisikos, der scharfen Sicherheitsrichtlinien und der Marktgröße relativ gut Aussagen über die Produktqualität der Autohersteller getroffen werden können. Das Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach beobachtet die Entwicklung. Für das erste Halbjahr 2021 stellte das CAM eine Rückrufquote von 208 Prozent für den US-Markt fest: Mehr als doppelt so viele Fahrzeuge wurden also zurückgerufen als im gleichen Zeitraum erstmals zugelassen wurden.


Vielfältige Ursachen

Die meisten Rückrufe verzeichnete das CAM wegen Mängeln am Insassenschutz, gefolgt von Problemen am Antriebsstrang und an der Karosserie. Die Ursachen sind vielfältig: Die technische Komplexität der Fahrzeuge nimmt zu, damit ist aber auch die Fehlerhäufigkeit gestiegen. Auch der Wettbewerbsdruck wächst, immer schneller werden neue Modelle auf den Markt gebracht. Die globalisierten Lieferketten – und die Fragilität, die sich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren gezeigt hat – führen zu neuen Herausforderungen im Qualitätsmanagement. Letztlich erhöht die Baukasten-Strategie der Autohersteller die Zahl der potenziell von Rückrufen betroffenen Fahrzeuge im einzelnen Fall.

Aus der Versicherungsperspektive ist die Situation besonders für die Zulieferer problematisch. Die Kfz-Hersteller selbst versichern das Rückrufkostenrisiko, also den Eigenrückruf ihrer Fahrzeuge, in der Regel nicht. Rund 75 Prozent der Autokomponenten werden in der Zulieferkette produziert – bezogen auf einzelne Baugruppen wie Elektronik sogar mehr. Das erhöht den Druck auf die Zulieferer, die in Regress genommen werden könnten, sofern sie für den Mangel haften. Insbesondere für Zulieferer, die in der Lieferkette nahe an den OEM (Original Equipment Manufacturer), den eigentlichen Autoherstellern, stehen, zum Beispiel in der Zuliefererklasse TIER 1 (also Zulieferer der 1. Ebene), wird es immer schwieriger, zu guten Bedingungen und günstigen Preisen den adäquaten Versicherungsschutz zu erhalten. Der Risikoappetit der Versicherer steigt erst in Zuliefererklassen, die weiter von den OEM entfernt sind.

Die Kapazitäten, die der Markt für Rückrufhaftung insgesamt für die Zulieferer zur Verfügung stellt, gehen seit Jahren zurück. Gleiches gilt auch für die Limite der einzelnen Versicherungsverträge. Gleichzeitig steigen die Prämien weiter an. Die Inflation tut das Ihre hinzu, sodass sich Kfz-Zulieferer dazu gezwungen sehen, deutlich höhere Selbstbehalte einzugehen, um noch eine vertretbare Prämie zu erzielen. Diese Selbstbehalte können schnell eine sechs- oder sogar siebenstellige Höhe erreichen.

Für große Zulieferer können unter Umständen deshalb Eigenversicherungslösungen (zum Beispiel in Form einer Captive) interessant werden. Allerdings sind Aufwand und Kapitalbindung dafür nicht zu unterschätzen. Rückrufrisiken sind außerdem echte Spätschadenrisiken, die unter Umständen erst nach Jahren auftreten können. Deshalb sind diese Möglichkeiten nur für Unternehmen mit sehr großen Umsatzvolumen wirklich diskutabel.

Was tun? Ein Makler, der die Kunden auf Augenhöhe mit den Versicherern bringt, kann hier wichtige Unterstützung leisten. Als deas stehen wir unseren Kunden mit allen Kompetenzen zur Seite, die wir selbst und die hinter uns stehende Ecclesia Gruppe als größter deutscher Versicherungsmakler aufbieten können: die starke Einkaufsposition, das tiefgehende Know-how, der Zugriff auf internationale Versicherungsmärkte oder beispielsweise der direkte Zugang auf den Rückversicherungsmarkt durch unseren Rückversicherungsmakler Ecclesia Re. In einem tiefgehenden Beratungs- und Beurteilungsprozess suchen wir zudem gemeinsam mit den Kunden nach Möglichkeiten, die Risiken so genau wie möglich zu bewerten und Selbstbehalte verträglich zu gestalten.


Fahrzeugbesitzer sind bei Rückrufen ebenfalls gefordert

Auch Fahrzeughalter haben Pflichten, wenn es um Rückrufe geht. Unter Umständen riskieren sie sonst die Betriebserlaubnis und den Versicherungsschutz für ihren Wagen. Lesen Sie mehr unten unter "Pflichten des Halters".



Pflichten des Halters

Fahrzeughalterinnen und -halter sollten einen Rückruf, der sie vom Hersteller ihres Fahrzeugs erreicht, nicht ignorieren. Denn sie sind genauso wie Fahrerinnen und Fahrer auch dafür verantwortlich, dass das Fahrzeug mängelfrei unterwegs ist. Wenn einem Rückruf auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht nachgekommen wird, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein Fahrzeug von der Zulassungsstelle aus dem Verkehr gezogen wird, also nicht mehr betrieben werden darf. Im Jahr 2021 hat das Kraftfahrtbundesamt 81.000 solcher „Außerbetriebssetzungen“ verfügt, die allermeisten aus sicherheitstechnischen Aspekten. Wird so ein Fahrzeug dennoch bewegt, steht auch der Versicherungsschutz in Gefahr beziehungsweise die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung kann bei einem Unfall Fahrerin oder Fahrer beziehungsweise Halterin oder Halter des Wagens im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten in Regress nehmen. Also: Sollte Sie ein Rückruf erreichen, muss möglichst schnell ein Werkstatttermin vereinbart werden. Üblicherweise übernehmen die Hersteller die anfallenden Reparaturkosten, Anspruch auf Ersatz für die investierte Zeit oder einen Leihwagen besteht aber nicht. Darauf weist auch der ADAC hin. Mitunter stellen die um ihr Image bemühten Hersteller aber über die Händler Leihfahrzeuge.

Eine Übersicht über Rückrufaktionen in Deutschland bietet unter anderem auch das Kraftfahrtbundesamt. Dort lässt sich über den Fahrzeugtyp oder den Rückrufcode herausfinden, ob ein Modell von einem Rückruf betroffen ist.

Jörg Linnert