Industrie und Klima: Deutschlands Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität

Der Industriesektor ist für Deutschland von zentraler Bedeutung.

Natürlich spielt in diesem Zusammenhang der Klimaschutz eine immer größer werdende Rolle. Und um hier im wahrsten Sinne des Wortes „sauber“ zu werden, gibt das Klimaschutzgesetz verbindliche Ziele vor: Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral sein.
 

Welche Industrien sind besonders hohe Emissionsverursacher?

Eine Analyse – basierend auf den Daten des EU-Emissionshandels – ergab, dass die 30 Kohlenstoffdioxid-intensivsten Industrieanlagen in Deutschland zusammengerechnet 58 Millionen Tonnen CO2 im vergangenen Jahr verursachten. Die Top 3 der Industrien mit den höchsten Emissionswerten sind die Eisen- und Stahlerzeugung, die Zement- und Kalkherstellung sowie die Chemieindustrie.
 

Was wurde bislang erreicht? 

Schauen wir auf die Zahlen und Fakten des Umweltbundesamtes: Seit 1990 konnte die deutsche Industrie etwa 41 Prozent Treibhausgasminderung verzeichnen. Dieser Rückgang ist besonders durch die Implementierung von energieeffizienten Technologien und Prozessen zu verzeichnen. 

In der übergreifenden Einordnung landet der Industriesektor auf Platz zwei der Verursacher von Treibhausgasemissionen – hinter der Energiewirtschaft. Diese hat ebenfalls hart an ihren Werten gearbeitet: Von 2013 bis 2021 sanken die Emissionen um 36 Prozent. Heute gehen noch etwa 22 Prozent der in Deutschland ausgestoßenen Treibhausgase auf den Industriesektor zurück. Doch trotz der 41 Prozent Minderung verharrt die Industrie mittlerweile zu lange auf einem konstanten Emissionsniveau, um die Ziele des Klimaschutzgesetzes bis 2045 erreichen zu können.
 

Was bedeutet das für die Zukunft der Industrie in Deutschland?

Das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten, birgt viele Herausforderungen, aber auch Chancen und Möglichkeiten. Nach Angaben des WWF und des Kompetenzzentrums Klimaschutz in energieintensiven Industrien (KEI) stehe einerseits im Fokus, gegenwärtig und zukünftig sukzessive Treibhausemissionen zu reduzieren und schließlich gänzlich zu vermeiden. Dafür brauche es eine grundlegende Transformation der industriellen Produktion. Denn einzig die Dekarbonisierung der Industrieprozesse stelle den Schlüssel zur Erreichung der Klimaschutzziele dar. Diese Entwicklung schließt sowohl die Umgestaltung der Prozessketten als auch den Umbau ganzer Produktionsstandorte ein. 

Andererseits gibt diese Umstellung auf klimaneutrale Prozesse gleichzeitig eine Orientierung für Investitionen, die in den kommenden Jahren im Industriesektor anstehen – oder anstehen sollten. Die weitere Entwicklung von treibhausgasneutralen und ressourceneffizienten Techniken sowie Produktionsverfahren werde nach Einschätzung des WWF den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig stärken. Da der Bedarf an nachhaltigen Spitzentechnologien und klimaneutralen Geschäftsmodellen exponentiell wachse, würden die exportorientierten Industrieunternehmen mittel- und langfristig von klugen Investitionen in global wachsende Klimaschutzmärkte profitieren. Es liegen also nicht nur Herausforderungen, sondern auch weitestgehend ungenutzte Chancen darin, eine klimaneutrale, von Kohle, Erdöl und Erdgas unabhängige Industrie voranzutreiben.  
 

Welche konkreten Maßnahmen führen zu mehr Klimaneutralität?

Es ist einfach gesagt, das Wirken von Unternehmen emissionsärmer zu gestalten. Doch welche konkreten Vorgehensweisen verbergen sich hinter dem Wandel?
 

Elektrifizierung:

Sie baut sich aus drei verschiedenen Säulen zusammen: Die grüne, digitale und mutige Elektrifizierung. 
 

  1. Grüne Elektrifizierung: Ausbau der erneuerbaren Energien

    Hierbei geht es darum, Energie für Gebäude und Verkehr zunehmend aus grünem Strom zu gewinnen. Wo das nicht möglich ist, ist es sinnvoll, durch grünen Strom produzierten Wasserstoff oder emissionsfreien, synthetischen Kraftstoff einzusetzen. Strom sei laut des ZVEI, Verband der Elektro- und Digitalindustrie, der Rohstoff der Energiewende, der in 2045 mehr als 90 Prozent des Energiebedarfs decken werde. Der Ausbau der erneuerbaren Energien stelle daher eine zentrale Säule der Elektrifizierung dar.

    Ein weiterer besonderer Vorteil von erneuerbar erzeugtem Strom sei weiterhin, dass er nahezu verlustfrei genutzt werden könne. Strombetriebene Produkte seien darüber hinaus immer effizienter und würden wesentliche höhere Wirkungsgrade aufweisen als die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung.

     
  2. Digitale Elektrifizierung: Digitalisierung des Stromsystems

    Als zweiten Ansatzpunkt bezeichnet der ZVEI die Stromnetze. Am wichtigsten sei in diesem Zuge, die vorhandene Infrastruktur so hoch wie möglich auszulasten, bevor ein physischer Netzausbau stattfände. Zu diesem Zweck sollten die Stromnetze umfassend digitalisiert werden – zum Beispiel über digitale Netzanschlusspunkte bestehend aus Smart Meter Gateway mit aktiver Steuerung über ein Home Energy Managementsystem und Lademanagementsystem. So können Netzzustände live erhoben werden und Verbraucher haben die Möglichkeit, ihren Energiebezug zeitlich zu optimieren. Je größer die Flexibilität hier werde, desto geringer sei der Bedarf an gesicherter Leistung und physischem Stromnetzausbau. So werden folglich die Kosten des Stromsystems insgesamt gesenkt, was ferner eine Bedingung für das Erreichen der Klimaziele darstelle.

     
  3. Mutige Elektrifizierung: Umfassende Strompreisreform

    Der dritte Baustein sei, den Verbrauchern ökonomische Anreize, um auf Stromanwendungen umzustellen wie beispielsweise die Wärmepumpe oder Power-to-Heat-Anlagen, und Strom dann zu verbrauchen, wenn der Strommix besonders grün sei und ihren Strombezug so zu gestalten, dass Lastspitzen vermieden werden. Hier sieht der ZVEI besonders in Senkung der Steuerlast eine Möglichkeit: Nach Abschaffung der EEG-Umlage müsse die Energiesteuer neu ausgerichtet und für erneuerbaren Strom gegen Null gehen. Gleiches gelte für die Mehrwertsteuer: eine Absenkung auf Strom sei ein einfaches und schnell umzusetzendes Instrument. Werde eine solche Reform nicht durchgeführt, bestehe die Gefahr, dass beispielsweise Power-to-Heat-Anwendungen circa viermal teurer seien als der Einsatz von Erdgas.

    Technisch spreche bereits heute nichts dagegen, Wärmepumpen, Batteriespeicher oder Ladestationen vergünstigt mit regenerativer Energie zu versorgen. Doch durch aktuell bestehende Abgaben, Umlagen und Entgelte komme das Preissignal bei Verbrauchern nicht an, obwohl erneuerbare Energien (wenn ausreichend verfügbar) günstiger seien als fossile Alternativen.
     

Dekarbonisierung: CCS/CCU

Im Vordergrund dieser Entwicklungen stehen Technologien, bei denen prozessbedingte Treibhausgasemissionen gar nicht erst entstehen. In Branchen, in denen Emissionen jedoch nicht gänzlich vermeidbar sind, wird „Carbon Capture“ als mögliche Lösung aufgeführt. 

CCS: CO2-Speicherung in unterirdischen Lagerstätten
Hier werden die Emissionen nicht weiter genutzt, sondern dauerhaft in gasförmigem Zustand gespeichert, meist in ehemaligen Erdgas- und Erdöl-Lagerstätten. Länder wie die Niederlande, Großbritannien und Norwegen wenden diese Technologie bereits an und bauen sie weiter aus. 

CCU: CO2 als Rohstoff für Industrieprozesse einsetzen
Im Verfahren des Carbon Capture and Utilization (kurz: CCU) wird CO2 aus der Luft gefiltert und einer anderen industriellen Nutzung zugeführt – zum Beispiel als Rohstoff für chemische oder biotechnologische Prozesse, wie die Herstellung von Kunststoff oder synthetischen Kraftstoffen sowie die Verwendung in Baustoffen. Ziel dieses Verfahrens ist, CO2 langfristig zu binden, beziehungsweise im Kreislauf zu halten. 

Diese Technologien können unter bestimmten Bedingungen zum Klimaschutz beitragen. Entscheidend ist hierfür allerdings, dass die benötigten Mengen an Strom und Wärme zwingend emissionsfrei erzeugt werden müssen, da im CCU-Prozess sonst sogar mehr CO2 erzeugt als recycelt wird.

Die Industrie hat folglich Optionen, Emissionen signifikant zu reduzieren, ihre Akteure sollten jedoch sicherstellen, dass die angewendeten Maßnahmen sinnvoll und zielführend sind.