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Interview mit Bauexperte Cedric Lichte

Resilienz und Risikomanagement sind nicht nur für Unternehmen der Industriebranche, sondern auch für die Einrichtungen und Institutionen der Geschäftsfelder Sozialwirtschaft, Gesundheitswesen und Kirche elementar wichtig. Gerade wenn es darum geht, sich vor Gefahren wie Betriebsunterbrechungen durch Baustillstand oder unzureichend abgedeckte Schäden nachhaltig und vorausschauend abzusichern. Im Interview spricht Cedric Lichte, Head of Ecclesia Construction, über Herausforderungen und Risiken im Bauwesen, aber auch über Chancen und Perspektiven sowie die Expertise und Stärken seines Teams und der gesamten Unternehmensgruppe.

Ob wirtschaftliche, technologische, umweltbedingte oder politische Herausforderungen: Resilienz spielt für Unternehmen und in Wirtschaftssystemen eine zentrale Rolle. Mit welchen Strategien und Konzepten helfen Sie Ihren Construction-Kunden, um deren Bauwerke und Infrastrukturen vor Stressfaktoren und Belastungen wie Störungen oder Katastrophen bestmöglich abzusichern?

Cedric Lichte: Unsere Kunden standen in den vergangenen Jahren vor erheblichen Herausforderungen, als es darum ging, Bauvorhaben überhaupt zu realisieren. Das begann vor vier Jahren mit der Corona-Pandemie, dadurch gab es auf vielen Baustellen längere Unterbrechungen. Dann kam der Ukraine-Krieg, der dazu führte, dass essenzielle Baustoffe wie Stahl oder Bitumen plötzlich nicht mehr lieferbar waren. In jüngster Zeit hat der rapide Zinsanstieg besonders die Projektentwickler in Deutschland hart getroffen. Manche Betroffene haben sich finanziell übernommen und sind in die Insolvenz gerutscht, was sich auch massiv auf die Bauunternehmen auswirkte. Viele politische Herausforderungen können wir als Versicherungsmakler nicht lösen. Wir setzen bei Gefahren an, die auf den Baustellen lauern. Vor allem mit unserer kombinierten Bauprojekt-Premium-Versicherung, bei der wir alle Baubeteiligten vom Planer bis zum Bauunternehmen in nur einem einzigen Versicherungsvertrag schnittstellenfrei versichern. Wir sorgen mit dieser Police dafür, dass bei Schadenfällen auf der Baustelle der Aufwand für unsere Kunden auf ein Minimum reduziert und eine zügige Schadenregulierung sichergestellt wird.

Welche komplexen Probleme wurden hierdurch besonders effizient gelöst?

Wenn ein Schadenfall auf der Baustelle aufgeklärt werden soll, will es oft niemand gewesen sein. Auf Großbaustellen laufen mitunter mehr als 200 Baubeteiligte über das Gelände. Daher ist es immer wieder herausfordernd, hier den tatsächlichen Schadenverursacher ausfindig zu machen. An dieser Stelle setzt unser Bauprojekt-Premium-Konzept an. Wir reduzieren mit dieser Police die Komplexität und müssen nicht mehr aufwendig aufklären, wer das Verschulden tatsächlich trägt. All das sorgt für eine kooperativere Zusammenarbeit und ein Stück weit für „Frieden am Bau“. Dieser ist essenziell, um Projekte zur Zufriedenheit aller Baubeteiligten zu realisieren.

Wie groß ist die Gefahr von Betriebsunterbrechungen durch Baustillstand oder unzureichend abgedeckte Schäden und wie lässt sich dem gezielt entgegenwirken und vorbeugen?

Baustellenstillstände kommen nicht selten vor. Sie können aus unterschiedlichsten Gründen vorkommen, sei es durch Pandemien, fehlende Baustoffe oder weil der Generalunternehmer gerade in die Insolvenz geschlittert ist. Diese Themen sind schlichtweg nicht versicherbar. Das ist ein Stück weit unternehmerisches Risiko, was Bauherren tragen. Aber es verbleibt eine Vielzahl an Schadenszenarien, die sich durchaus versichern lassen. Wenn wir die vergangenen Jahre in Deutschland Revue passieren lassen, haben wir beispielsweise immer noch die schrecklichen Bilder aus dem Ahrtal im Kopf. Durch derartige Klimaereignisse, die von Jahr zu Jahr zunehmen, erleben wir massive Überschwemmungs- und Starkregenereignisse, die Bauvorhaben erheblich beschädigen und gleichzeitig zu einem Bauverzug führen. Losgelöst von Naturgefahren, können natürlich auch andere Ereignisse auftreten. Etwa Feuerereignisse durch Brandstiftung oder ein Baukran, der durch Überlast umstürzt und das Gebäudedach durchschlägt. Gerade wenn solche Ereignisse eintreten, sind Baustellenstillstände vorprogrammiert. Die geplante Fertigstellungszeit verzögert sich und dem Kunden entstehen womöglich immense Vermögensschäden. Weil er zum Beispiel fest damit geplant hat, ab dem Zeitpunkt X die Mieteinnahmen aus diesem Gebäude zu erhalten. Aber jetzt ist das Gebäude nicht fertig und der vereinbarte Mietvertrag kann nicht wie geplant beginnen. Über sogenannte Bau-Betriebsunterbrechungsversicherungen, die Teil unserer Bauprojekt-Premium-Police sind, lassen sich diese Vermögensschäden bestmöglich absichern.

Baustellenstillstände kommen nicht selten vor. Sie können aus unterschiedlichsten Gründen vorkommen, sei es durch Pandemien, fehlende Baustoffe oder weil der Generalunternehmer gerade in die Insolvenz geschlittert ist. Diese Themen sind schlichtweg nicht versicherbar. Das ist ein Stück weit unternehmerisches Risiko, was Bauherren tragen. Aber es verbleibt eine Vielzahl an Schadenszenarien, die sich durchaus versichern lassen.

Hochbauprojekte, Infrastrukturbauten, aber auch Spezialbauwerke wie Kraftwerke, U-Bahn-Tunnel, Gaspipelines, Tiefengeothermie-Bohrungen und Windkanäle gehören zu Ihren Komplex- und Großprojekten. Wie gelingt es Ihnen, so vielfältig zu agieren?

Solche technisch komplexen Bauprojekte erfordern neben hoher Expertise im Bauversicherungsbereich auch ein tiefgründiges technisches Verständnis. Es ist wichtig zu verstehen, was genau versichert wird und wie es funktioniert. Wir sind froh, auf die umfangreiche Fachexpertise innerhalb der Ecclesia Gruppe zurückgreifen zu können. Bauingenieurinnen, Maschinenbauingenieure oder Architekten unterstützen uns quasi täglich. Diese Expertise ermöglicht es uns, auf Augenhöhe mit den Versicherern zu sprechen und die bestmöglichen Konditionen für unsere Kunden auszuhandeln.

Zu den Referenzen Ihres Teams gehören mehr als 11.500 Bauprojekte mit einem Bauvolumen von mehr als 28,6 Milliarden Euro. Welche Herausforderungen sind für Sie und Ihre Mitarbeitenden die größten und von welchen Ecclesia-Construction-Stärken profitieren die am Projekt beteiligten Kunden? 

Eine unserer größten Herausforderungen ist es, dass viele Versicherer versuchen, sich der gegenwärtigen Entwicklung in Deutschland und den herausfordernden Themen und Ereignissen ein Stück weit zu entziehen. Sei es bei Holz-Hybrid-Bauvorhaben, die unter ESG-Aspekten ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sind oder wenn es zum Beispiel um die Errichtung von Wasserstofferzeugungsanlagen oder Batteriespeicherwerken geht. Zahlreiche Versicherer sind nicht bereit, solche anspruchsvollen Projekte, die den aktuellen technologischen Fortschritt widerspiegeln, unter Versicherungsschutz zu stellen. Aber mit unserem Know-how und unserer Expertise ist gewährleistet, dass wir auch für solche komplexen – für den Versicherer-Markt unattraktive – Bauvorhaben stets einen umfassenden Versicherungsschutz bereitstellen.

Gibt es besonders herausfordernde oder bekannte Projekte, denen Sie sich widmen?

Wir begleiten viele spannende Bauvorhaben, wie zum Beispiel den Neubau eines Forschungscampus mit einer Investitionssumme von 700 Millionen Euro, die Erweiterung eines Universitätscampus mit einer Milliarde Euro sowie zahlreiche Neubauten im Gesundheitswesen, welche nicht selten ebenfalls Investitionsvolumina von mehr als einer Milliarde Euro erreichen. Ebenso finden sich in unserem Portfolio betreuter Bauvorhaben auch Gaspipelines, U-Bahn-Tunnel, hochmoderne Rechenzentren, Stromtrassen und Kraftwerke.

Mit welchen Netzwerkpartnern gelingt es Ihnen, Ihre Kunden nachhaltig und umfassend zu beraten und abzusichern? Gibt es besonders innovative und erfolgreiche Kooperationen?

Wir haben generell den Anspruch Fachexpertise eigenständig aufzubauen und vorzuhalten, sodass wir bei Ecclesia Construction sehr autark agieren können. Bei Bauvorhaben mit äußerst komplexen Bauvertragsgestaltungen wie zum Beispiel Projekte, welche im Rahmen integrierter Projektabwicklungen (IPA-Projekte) durchgeführt werden, kooperieren wir jedoch eng mit einer renommierten Rechtsanwaltskanzlei, die sich u. a. auf Bau- und Architektenrecht spezialisiert. Darüber können wir konkrete Haftungssituation noch tiefgründiger bewerten, um den Versicherungsschutz maßgeschneidert auf das Bauvorhaben anzupassen. Diese Kooperation ermöglicht es uns, unseren Kunden einen Zusatznutzen zu bieten – ohne zusätzliche Kosten für sie.

Welche Herausforderungen und Risiken stehen dem internationalen Bauwesen aktuell und in Zukunft bevor?

Baufirmen weltweit stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Ein neuer Trend ist das Modell der integrierten Projektabwicklung (IPA). Hierdurch wird eine kooperative Kultur auf den Baustellen gefördert. Dieses Modell, das in den USA und Australien schon länger bekannt ist, gewinnt auch in Deutschland an Bedeutung, insbesondere bei Großbauvorhaben.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie bei neuartigen Baumethoden wie dem Holz-Hybridbau?

Neuartige Baumethoden wie Holz-Hybridbau gehören mittlerweile zu unserem Alltag. Diese Bauweise reduziert den CO₂-Fußabdruck erheblich, aber Versicherer begegnen dem Thema aufgrund höherer Schadenskosten mit Zurückhaltung. Hier muss ein Umdenken stattfinden, damit solche Bauvorhaben zukünftig umfassend versichert werden können.

Was sind Ihre Unternehmensziele in den kommenden drei Jahren?

Unser Ziel ist es, unseren Status als Spezialmakler für Groß- und Komplexbauvorhaben noch weiter auszubauen und künftig als der marktführende Versicherungsmakler in dem Bereich wahrgenommen zu werden.

Sie suchen für Ihr Team noch einen Bauingenieur. Welche Fähigkeiten sollte dieser mitbringen und auf welche Aufgaben darf sich das neue Teammitglied freuen?

Ein Bauingenieur wird bei uns im Team eine große Bandbreite an Tätigkeiten erleben, von konventionellem Hochbau bis hin zu komplexen Infrastrukturmaßnahmen und Kraftwerksbauten. Die Hauptaufgabe besteht darin, Bauunterlagen zu bewerten und neuralgische Punkte herauszuarbeiten, um potenzielle Gefahren zu erkennen und zu analysieren. In Zusammenarbeit mit den Versicherungsfachexperten im Team gilt es im Anschluss ein auf das individuelle Bauvorhaben maßgeschneiderte Versicherungskonzept auszuarbeiten. Insofern ist es der Berufsalltag sehr abwechslungsreich.

Zur Person

Cedric Lichte arbeitet seit zwölf Jahren für die Ecclesia Gruppe. Er leitet Ecclesia Construction, das bundesweit agierende Kompetenzzentrum für Bauvorhaben. Zuvor verantwortete er die Abteilung Technische Versicherungen für die Region Süddeutschland mit Fokus auf Bauleistungs- und Montageversicherungen. Zu seinem Aufgabenschwerpunkt gehört die Bedarfsanalyse samt Versicherungskonzeption bei Großbauvorhaben: Hochbau, Infrastrukturbau, Kraftwerksbau und weitere. Darüber hinaus berät er vergabepflichtige Bauherren zur Gestaltung und Begleitung von öffentlichen Ausschreibungen der Versicherungsleistung. Ein Bauvolumen von mehreren Milliarden Euro konnten der Head of Ecclesia Construction und sein Team in den vergangenen Jahren auf dem Versicherungsmarkt platzieren.

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