Umgang mit Menschen mit Einschränkungen in sozialen Einrichtungen
Es ist ein sensibles Thema, das oft unterschätzt wird: Der Umgang mit Menschen mit Einschränkungen in sozialen Einrichtungen. Hier treffen Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, Fähigkeiten und Einschränkungen aufeinander und es ist die Aufgabe der Betreuerinnen und Betreuer, für ihre Sicherheit und ihr Wohlbefinden zu sorgen. Doch wie können Betreuerinnen und Betreuer mit dieser Verantwortung umgehen? Was bedeutet Aufsichtspflicht und welche Haftungsrisiken sind zu beachten? Die Ecclesia Gruppe bietet hierfür eine Versicherungslösung an, damit die Betreuerinnen und Betreuer passend abgesichert sind und ihrer Aufgabe, Menschen zu integrieren und zu betreuen, sorgenfrei nachgehen können.
Woraus kann sich eine Pflicht zur Aufsichtsführung ergeben?
Eine Aufsichtspflicht kann vielfältige rechtliche Grundlagen haben. Das können gesetzlich statuierte Aufsichtspflichten sein, wie beispielsweise Eltern, die eine Aufsichtspflicht für ihre Kinder haben, vertraglich übernommene Pflichten (Schutzpflichten in Alten- und Pflegeheimen, Kinder- und Jugendeinrichtungen) oder auch Pflichten aus vorherigem Verhalten. Zum Beispiel ein Unfallverursacher ist verpflichtet – soweit er dazu gesundheitlich in der Lage ist – dem Verletzten zu helfen. Auch die faktische Übernahme einer Aufsichtspflicht durch ein aktives Handeln kommt in Betracht.
In den sozialen Einrichtungen stellt sich die Frage nach der Durchführung einer Aufsichtspflicht vorrangig in den Bereichen Alten- und Pflegeeinrichtungen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Kindergärten und Schulen sowie Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen.
Wie ist die Haftung des Aufsichtspflichtigen geregelt?
Die Aufsichtspflicht umfasst grundsätzlich zwei Verpflichtungen: Zum einen Dritte vor Schäden zu bewahren, die diesen von dem zu Beaufsichtigten zugefügt werden können. Zum anderen den Aufsichtsbedürftigen selbst vor Schäden zu bewahren, die ihm durch sein eigenes Verhalten oder von außen drohen (Betreuungspflicht).
Umfang der Aufsicht
Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber keine konkrete Definition für die Aufsichtsführung formuliert hat. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, in welchem Umfang der Aufsichtspflichtige seine Aufgaben wahrzunehmen hat. Hierbei ist zu beachten, dass die Verpflichtung zur Aufsicht nicht mit einer ständigen unmittelbaren Eingriffsmöglichkeit auf den zu Beaufsichtigenden gleichzusetzen ist. Die Intensität der Aufsicht richtet sich nach der individuellen Situation der zu beaufsichtigenden Person.
Bei der Frage, in welchem Umfang und in welcher Intensität die Aufsicht über andere Menschen durchzuführen ist, sind verschiedene Merkmale zu berücksichtigen, beispielsweise:
- Alter der/des Betreuten
- Bestehende Regeln (zum Beispiel interne Arbeitsanweisungen) müssen bekannt sein
- Vereinbarungen in Verträgen mit Eltern usw.
- Jugendschutzbestimmungen
- Verhalten der/des Betreuten in der Vergangenheit und Prognose zur Zukunft
- Einsichtsfähigkeit und Lernfähigkeit
- Räumliche Situation/örtliche Gegebenheiten: Welche Gefahren gibt es?
- Eigenarten der/des Betreuten
- Charakter und Persönlichkeit der/des Betreuten
- Ihr/sein Entwicklungsstand
- Ihre/seine Krankheiten/Beeinträchtigungen
- Gesamtes Gruppenverhalten
Die Betreuerinnen und Betreuer sollten eine „situationsbedingte Aufsicht“ führen und auf aktuelle Änderungen und neue Situationen eingehen. Empfehlenswert ist, bei der Gesamtbewertung zunächst vom schwächsten Teil des Gesamteindrucks auszugehen, da hier das größte Gefahrenpotenzial liegen dürfte. Am Ende steht eine Entscheidung: Was ist für die/den Betreuten, aber auch die Mitarbeitenden, zumutbar? Hier gilt es, eine bewusste – und vertretbare – Entscheidung zu treffen. Ebenso ist eine Aufsicht immer nur in dem Maß erforderlich und muss erfolgen, um den Betreuten gleichwohl eine „normale“ Entwicklung zu ermöglichen. Aufsicht heißt nicht permanente Kontrolle und Einflussnahme – Stichwort „selbstbestimmtes Leben“, was ja auch mit der Schaffung des Klientenbudgets seinen Ausdruck in den gesetzlichen Regelungen gefunden hat.
Wenn es zu einem Schaden kommt – wie ist der Schadenersatz gesetzlich geregelt?
Die Konsequenzen einer Aufsichtspflichtverletzung werden im § 832 Bürgerliches Gesetzbuch benannt. Das bedeutet, wer kraft des Gesetzes/Vertrages zur Führung oder Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zugefügt hat. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschuldigte seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstehen würde. Verletzt der Aufsichtspflichtige seine ihm obliegenden Verpflichtungen schuldhaft, so haftet er dem Geschädigten nach § 832 BGB persönlich und unbegrenzt. Daneben bestehen ebenfalls vertragliche Haftungen, die sich beispielsweise aus § 280 I BGB in Verbindung mit einem Heimvertrag (Alten- und Pflegeheim) ergeben können.
Der Aufsichtsführende kann sich aber von den gesetzlichen Bestimmungen zur Verpflichtung zum Schadenersatz entlasten (exkulpieren), wenn er nachweist, dass keine Verpflichtung zur Aufsicht bestand oder eine Verpflichtung zur Aufsicht zwar bestand, aber diese Pflicht nicht schuldhaft verletzt wurde. Ein dritter Fall ist, die Verpflichtung zur Aufsicht bestand zwar, und diese Pflicht wurde auch schuldhaft verletzt, aber der Schaden wäre auch bei korrekter Aufsichtsführung eingetreten. Der Schaden war also quasi unvermeidbar.
Umgangssprachlich ist die Formulierung „im Zweifel für den Angeklagten“ aus dem Strafrecht bekannt. Sie passt aber nicht zu dem Thema Aufsichtspflichtverletzung. Die für die Aufsicht verantwortliche Person muss im Zweifel einem Dritten im Sinne von § 832 BGB den Schadenersatz leisten. Nur wenn die Aufsichtsperson einen Entlastungsbeweis im Sinne der oben benannten Varianten erbringen kann, entfällt die Verpflichtung. Anders ausgedrückt: Im Zweifel haftet der Aufsichtspflichtige für alle Schäden eines Dritten, also „im Zweifel gegen den Angeklagten“.
Lösung: Haftpflichtversicherung
Durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für den Aufsichtsführenden entweder im Rahmen einer Versicherung für den Arbeitgeber, für die die aufsichtsführende Person tätig ist, oder durch eine Berufs-Haftpflichtversicherung für Selbständige kann das Haftungsrisiko beherrschbar gemacht werden.
Der Haftpflichtversicherer leistet dabei in einem dreistufigen Modell:
- Prüfung der Haftpflichtfrage
- Ausgleich berechtigter Ansprüche
- Abwehr unberechtiger Ansprüche (notfalls gerichtliche Abwehr)
Bei vorsätzlichem Handeln besteht kein Versicherungsschutz.
Die Haftpflichtversicherung bietet dabei sowohl einen Risikotransfer für die gesetzliche Haftung des Trägers als auch für die persönliche gesetzliche Haftung des Mitarbeitenden. Sie stellt dabei das notwendige Bindeglied zwischen dem Dienst am Menschen und den sich daraus ergebenden haftungsrechtlichen Risiken dar.
Der Versicherungsschutz umfasst dabei in der Regel neben den klassischen Schadenersatzansprüchen, auch Schmerzensgeldforderungen, Verdienstausfälle, Rentenansprüche, Regresse von Sozialversicherungsträgern beispielsweise aufgrund der entstandenen Heilbehandlungskosten.
Als der Partner an Ihrer Seite steht Ihnen die Ecclesia Gruppe auch im Schadenfall mit Rat und Tat zur Seite. Wir verfügen über das jahrzehntelange Know-how, um eine bedarfsgerechte Schadenabwicklung zielgerichtet zu begleiten.
Beispiel aus der Praxis eines Alten- oder Pflegeheims
Betreute stürzt in einem Wohnheim die Treppe hinunter
Der Fall:
Eine schlecht sehende Betreute stürzt die Treppe vom ersten Stock hinunter. Zu dieser Zeit befindet sich ein Mitarbeiter mit einem Betreuten auf der Toilette, ein anderer Mitarbeiter ist alleine in der Küche und ein weiterer Mitarbeiter hält sich mit acht Betreuten im Aufenthaltsraum auf. In dieser Situation verlässt die Betreute den Aufenthaltsraum, um alleine zur Toilette im Flur zu gehen, obwohl sie sehr schlecht sieht. Vom Flur führt direkt eine Treppe in das Erdgeschoß. Die Betreute stürzt die Treppe hinunter und erleidet Kopfverletzungen.
Welcher Vorwurf könnte erhoben werden?
Der Mitarbeiter aus der Küche hatte den Müll heruntergebracht und danach vergessen, dass extra als Sicherung vorhandene Absperrungsnetz vor die Treppe zu hängen. Ein vermeidbarer Fehler.
Welche Forderungen könnten gestellt werden?
- Schmerzensgeldansprüche seitens der Geschädigten
- Regress der Krankenkasse für die Heilbehandlungskosten
- Ansprüche aufgrund des Umstandes, dass der Vorfall zu einer Einstufung in eine höhere Pflegestufe führt.