
Krankenhausreform-Anpassungsgesetz: „Reform der Reform“ nach Gesetzesvorlage von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken
Im Koalitionsvertrag vereinbarten CDU/CSU und SPD im Frühjahr dieses Jahres entsprechend: „Wir entwickeln eine qualitative, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft aufbauend auf der Krankenhausreform der vergangenen Legislaturperiode fort und regeln dies gesetzlich bis zum Sommer 2025.“ Anfang August legte die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken dann ein „Gesetz zur Anpassung der Krankenhausreform“ (KHAG) vor. Hier folgt ein aktueller Überblick der geplanten Änderungen sowie die möglichen Auswirkungen.
Planungs- und Rechtssicherheit
Der für den 10. September geplante Kabinettsbeschluss zum KHAG wurde kurzfristig verschoben. Grund dafür sind Einsprüche des von der SPD geführten Sozial- und Finanzministeriums. Die Ministerien bemängeln zu viele und zu zweit ausgelegte Ausnahmeregelungen für die Bundesländer. Der nächstmögliche Termin zur Verabschiedung des Gesetzes im Bundeskabinett ist der 1. Oktober.
Durch die Verzögerung entsteht Unsicherheit bei allen Beteiligten, die sich im Rahmen der langen Beratungen eingebracht haben. Gerade die Krankenhäuser müssen wissen, wie es weitergeht – es geht auch um verlässliche Rahmensetzung. Die Bundesregierung sollte nun geschlossen ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Hier folgt eine Einschätzung, mit welchen Chancen und Risiken zu rechnen ist.

– Carsten Stracke (Geschäftsführer Gesundheit, Kirche und Soziales der Ecclesia Gruppe)Strukturen müssen langfristig geplant, Investitionen und Betriebskosten angemessen finanziert werden, um die Versorgungsziele langfristig zu realisieren und zu sichern.
Mehr Ausnahmen möglich
Das KHAG reduziert die ursprünglich mehr als 65 geplanten Leistungsgruppen auf 61, orientiert am NRW-Modell. Vier Gruppen (Infektiologie, Notfallmedizin, spezielle Kinder- und Jugendmedizin/-chirurgie) entfallen, neu aufgenommen wird die Spezielle Traumatologie. Die Bundesländer erhalten künftig weitreichende Ausnahmerechte: Abweichungen von Qualitätsvorgaben sind möglich, wenn es die Versorgungssicherung erfordert. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken erklärte dazu: „Wir wollen bessere Versorgung, keine Behandlungsillusion. Aber Ausnahmen sind möglich, wenn sich Krankenhaus und Kassen einigen.“
Auch Carsten Stracke, Geschäftsführer Gesundheit, Kirche und Soziales der Ecclesia Gruppe, sieht die Reform grundsätzlich positiv, warnt aber vor Risiken in der Übergangsphase: „Reformen sind wichtig, müssen im Übergang aber auch angemessen finanziert werden. Es darf nicht zu ungewollten Notlagen in der Versorgung kommen.“ Denn gerade im Gesundheitswesen und der Pflege ist eine stabile Finanzierung essenziell, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten und strukturelle Veränderungen verantwortungsvoll umzusetzen.
Finanzierung und Zeitplan
Auch die Umstellung der Finanzierung des Krankenhaustransformationsfonds wird festgelegt. Die vormals vorgesehene Zahlung von 25 Milliarden Euro durch Beiträge der Gesetzlichen Krankenkassen soll nun aus dem staatlichen Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität bezahlt werden. Ebenfalls werden Fristen zur Vorhaltevergütung aus dem KHVVG verschoben. Erst 2028 startet eine sogenannte Konvergenzphase. Die gesamte Vorhaltevergütung soll dann 2030 starten. Im ursprünglichen KHVVG war vorgesehen, die Vorhaltevergütung bereits ab 2027 einzuführen.

Gemischtes Feedback aus der Praxis
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßt die größere Länderflexibilität, kritisiert aber die Vorhaltefinanzierung als „falsches, bürokratisches Instrument“ und verlangt eine grundsätzliche Überarbeitung. Die Verschiebung schaffe jedoch Unsicherheit. Der Verband der Universitätsklinika warnt hingegen, mit der „erweiterten Beinfreiheit der Länder“ drohe eine Verwässerung von Qualitäts- und Strukturzielen und hofft nun auf strukturelle Anpassungen. Ähnlich argumentiert der GKV-Spitzenverband. Er fürchtet eine „Aufweichung der geplanten Qualitätsvorgaben“ zum Nachteil der Patientensicherheit und hofft durch die Verschiebung auf Rückkehr zu verbindlichen Qualitätsstandards.
Carsten Stracke betont in diesem Zusammenhang die Verantwortung der Bundesländer: „Auf die Frage, welche Infrastruktur künftig an welchem Ort benötigt wird, müssen die Länder eine Antwort geben – und dann die erforderliche Finanzierung sicherstellen.“
Länder zufrieden, Grüne fürchten Gefährdung der Patientensicherheit
Die Länder hatten seit Monaten Flexibilität eingefordert und finden ihre Interessen nun berücksichtigt. Die Grünen kritisieren hingegen einen „Kurswechsel in alte Muster – weg von klarer Steuerung, hin zu struktureller Beliebigkeit“, wie der gesundheitspolitische Sprecher Janosch Dahmen erklärte. Das Gesetz schaffe einen „Abwärtswettbewerb zwischen den Bundesländern“. Grünen-Politikerin Paula Piechotta sprach von einer „schlechten Nachricht für Gesundheit und stabile Krankenkassenbeiträge“.
Politische Debatten zu erwarten
Aufgrund der Verzögerung im Bundeskabinett ist unklar, ob das Gesetz noch in diesem Jahr vom Bundestag verabschiedet werden kann. Dabei braucht es eine zügige Entscheidung. Denn ab Januar 2026 greifen weitere Regeln des aktuellen KHVVG. Entscheidend wird deshalb sein, wie die Balance zwischen bundesweiten Qualitätsstandards und regionalen Ausnahmen austariert wird. Carsten Stracke betont, dass aus Ecclesia-Sicht eine langfristige Perspektive entscheidend sei: „Strukturen müssen langfristig geplant, Investitionen und Betriebskosten angemessen finanziert werden, um die Versorgungsziele langfristig zu realisieren und zu sichern, ohne die Anforderungen an eine hohe Qualität aus den Augen zu verlieren.“ Damit bietet die geplante Reform bei durchdachter Umsetzung durch die Bundesländer die Chance, eine zukunftsfähige und wohnortnahe Versorgung zu sichern. Jetzt gilt es, die Gestaltungsspielräume verantwortungsvoll zu nutzen und den Dialog zwischen Bund, Ländern und Leistungserbringern aktiv mitzugestalten.