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Claudia Kemfert spricht im Interview über Nachhaltigkeit, Resilienz und wirtschaftliche Stabilität

Resilienz, Nachhaltigkeit und wirtschaftliche Stabilität bleiben im Jahr 2025 zentrale Themen für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden.

Prof. Dr. Claudia Kemfert gibt im Interview konkrete Tipps, mit welchen Strategien und Konzepten sich Institutionen und Unternehmen zukunftsfähig weiterentwickeln und absichern können. Die Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und Professorin für Energieökonomie und Energiepolitik an der Leuphana Universität Lüneburg berät Akteure in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Sie gibt Workshops, Seminare und hält Vorträge mit dem Fokus auf Energiethemen. Als Netzwerkerin kooperiert sie zum Beispiel mit Universitäten, Forschungsinstituten und internationalen Organisationen.

Frau Kemfert, wie gelingt es Ihnen Unternehmen zu beraten und zu motivieren, damit diese sich nachhaltig für die Zukunft absichern?

Claudia Kemfert: In meinen Beratungen sensibilisiere ich Unternehmen für die langfristigen Vorteile und Einsparpotenziale durch nachhaltige Maßnahmen. Workshops, Seminare und individuelle Beratungen sind dabei zentrale Instrumente. Unternehmen haben erhebliche Vorteile, wenn sie sich nachhaltig ausrichten. Angesichts der aktuellen fossilen Energiekrisen und geopolitischen Konflikte wird die Bedeutung einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung immer deutlicher. Wer auf eigene Energieerzeugung, Energiesparen und Energieeffizienz setzt, kann langfristig von diesen Maßnahmen profitieren. Dies trägt nicht nur zur Versorgungssicherheit bei, sondern schafft auch zukunftsfähige Arbeitsplätze und stärkt die wirtschaftliche Stabilität. Zudem helfen konkrete Fallbeispiele und Best Practices, um die positiven Effekte von Nachhaltigkeitsstrategien aufzuzeigen.
 

Wie gestaltet sich Ihre Arbeit als Netzwerkerin? Mit welchen Kolleginnen und Kollegen, Initiativen und Institutionen arbeiten Sie vertrauensvoll zusammen?

Als Netzwerkerin bin ich sehr vielfältig beschäftigt. Meine Arbeit umfasst die Zusammenarbeit mit zahlreichen wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland, Europa und weltweit. Ich berate die Politik beispielsweise im Sachverständigenrat für Umweltfragen und arbeite eng mit der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Politik zusammen. Besonders gerne tausche ich mich mit Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft, der Politikberatung und verschiedenen Initiativen aus, die sich für Nachhaltigkeit und Klimaschutz einsetzen. Dazu gehören Universitäten, Forschungsinstitute, NGOs (Non-Governmental Organizations) und internationale Organisationen. Durch diese Vernetzung können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten und den Wissenstransfer fördern. Zudem ist es wichtig, den Dialog zwischen verschiedenen Akteuren zu fördern und Plattformen für den Austausch zu schaffen. Bücher schreiben, Vorträge halten und an öffentlichen Diskussionen teilnehmen sind ebenfalls wichtige Teile meiner Arbeit, um das Bewusstsein für nachhaltige Themen zu schärfen und die Öffentlichkeit zu informieren.

Unternehmen werden sich 2025 mit mehreren großen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Die Transformation hin zu erneuerbaren Energien und energieeffizienten Prozessen wird eine zentrale Aufgabe sein. Der bestehende Modernisierungsstau und die Notwendigkeit, sich von fossilen Energien abzukoppeln, werden die Unternehmen stark fordern.

Welche Herausforderungen werden aus Ihrer Sicht im Jahr 2025 die Unternehmen und deren Mitarbeitende besonders beschäftigen?

Unternehmen werden sich 2025 mit mehreren großen Herausforderungen auseinandersetzen müssen. Die Transformation hin zu erneuerbaren Energien und energieeffizienten Prozessen wird eine zentrale Aufgabe sein. Der bestehende Modernisierungsstau und die Notwendigkeit, sich von fossilen Energien abzukoppeln, werden die Unternehmen stark fordern. Darüber hinaus müssen sich die Führungskräfte und alle weiteren Mitarbeitenden auf die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels einstellen, was Anpassungsstrategien und Resilienz-Maßnahmen erforderlich macht. Ein weiterer wichtiger Aspekt wird die Digitalisierung und die Integration neuer Technologien in die Geschäftsprozesse sein. In Forschung und Entwicklung zu investieren, bleibt wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und innovative Lösungen zu entwickeln. Schließlich wird auch die Anpassung an neue gesetzliche Rahmenbedingungen und Regulierungen im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen.
 

Welche Strategien empfehlen Sie, um bestmögliche Lösungen zu realisieren?

Ich empfehle, dass die Unternehmen mehr in nachhaltige Technologien und Prozesse investieren und sich intensiv mit den Themen Energiesparen, erneuerbare Energien und Energieeffizienz auseinandersetzen sollten. Eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaft und Politik kann ebenfalls von Vorteil sein, um die neuesten Erkenntnisse und Fördermöglichkeiten zu nutzen. Zudem ist es sinnvoll, sich kontinuierlich weiterzubilden und aktuelle Entwicklungen zu verfolgen. Es sollte auch auf innovative Geschäftsmodelle und Kooperationen gesetzt werden, um Synergien zu nutzen und von den Erfahrungen anderer zu profitieren. Eine weitere wichtige Strategie ist die Integration von Nachhaltigkeit in die Unternehmensstrategie und -kultur. Dies erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen und das Engagement der Führungskräfte. Vor allem sollten Unternehmen auch auf Transparenz und gute Kommunikation setzen, um ihre Stakeholder über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu informieren und mehr Vertrauen aufzubauen.
 

Sie beschäftigen sich aktuell mit Themen wie „Finanzielle Hilfe für Gebäudesanierung“ und „Modernisierung der Industrie für sichere Jobs“. Von welchen konkreten Konzepten und Projekten können die Unternehmen der Industriebranche 2025 profitieren?

Industrieunternehmen können von zahlreichen Konzepten und Projekten profitieren, die auf Nachhaltigkeit und Modernisierung abzielen. Investitionen in erneuerbare Energien wie Photovoltaikanlagen oder Windkraft sind wichtige Maßnahmen. Auch die Nutzung von grünem Wasserstoff und energieeffizienten Technologien kann erhebliche Vorteile bringen. Projekte zur Gebäudesanierung wie die Installation von Wärmepumpen oder die Verbesserung der Dämmung tragen zur Energieeinsparung und zur Reduzierung von CO₂-Emissionen bei. Zudem sollten Unternehmen in die Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen investieren, um Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen zu erzielen. Förderprogramme und finanzielle Unterstützung durch den Staat spielen eine entscheidende Rolle, um diese Projekte zu realisieren. Langfristig schaffen diese Maßnahmen nicht nur Wertschöpfung und Arbeitsplätze, sondern sichern auch die Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene.


Welche Probleme beschäftigen Sie gerade angesichts der politischen Lage?

Das politische Geschehen ist derzeit von Unsicherheiten geprägt, die hauptsächlich durch fossile Energiekrisen und geopolitische Spannungen verursacht werden. Diese Instabilitäten beeinflussen die Versorgungssicherheit und erhöhen die Risiken für Unternehmen und Volkswirtschaften. Ein zentrales Problem ist die Abhängigkeit von fossilen Energien, die nicht nur umweltschädlich, sondern auch anfällig für Preisschwankungen und geopolitische Konflikte sind. Zudem führen politische Instabilitäten und Uneinigkeiten oft zu Verzögerungen bei der Umsetzung notwendiger Maßnahmen. Ein weiteres Problem ist die unzureichende Unterstützung und Förderung von nachhaltigen Projekten durch die Politik. Trotz dieser Herausforderungen ist es wichtig, dass Unternehmen und die Gesellschaft insgesamt proaktiv handeln und die notwendigen Veränderungen vorantreiben.
 

Deutschland muss verstärkt in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung investieren. Eine Reform der Schuldenbremse könnte zusätzliche finanzielle Mittel freisetzen, um gezielt in nachhaltige Projekte zu investieren.

Wie kann es Deutschland gelingen, sich international wieder zu verbessern?

Deutschland muss verstärkt in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung investieren. Eine Reform der Schuldenbremse könnte zusätzliche finanzielle Mittel freisetzen, um gezielt in nachhaltige Projekte zu investieren. Zudem sollten fossile Subventionen abgebaut und die Mittel in erneuerbare Energien und Energieeffizienz umgelenkt werden. Eine konsequente Umsetzung der Energiewende ist ebenfalls entscheidend. Deutschland sollte auch verstärkt auf internationale Kooperationen und den Austausch von Wissen und Technologien setzen. Durch die Förderung von Innovationen und die Unterstützung von Start-ups können neue Impulse gesetzt und die Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden. Es ist auch wichtig, die politischen Rahmenbedingungen zu verbessern und Bürokratie abzubauen, um Investitionen zu erleichtern und Unternehmen zu unterstützen.
 

Von Entwicklungen welcher Länder kann Deutschland lernen und profitieren?

Wenn es um Effizienz, Elektromobilität und eine nachhaltige Verkehrswende geht, ist Skandinavien ein gutes Vorbild für uns. Dänemark ist ein globaler Vorreiter beim gesamten Thema Energiewende. Die Dänen haben bereits in den 1970er-Jahren angefangen, ihre Wärmenetze zu reformieren, erneuerbare Energien auszubauen und vom Öl wegzugehen. Eine Liste an Aufgaben ist hier schon so gut wie abgearbeitet worden. Auch die Chinesen pumpen sehr viel Geld in die Elektromobilität sowie in erneuerbare Energien, insbesondere in die Solarenergie. Das zeigt, dass sich andere Länder Wettbewerbsvorteile gegenüber Deutschland erarbeitet haben. Gute Beispiele gibt es auch auf dezentraler Ebene. Auch in Paris gelingt die Verkehrswende. In Frankreichs Hauptstadt zeigt sich, wie gut eine emissionsfreie oder zumindest umweltfreundliche Metropole funktionieren kann. Die Niederlande und Skandinavien setzen schon lange erfolgreich auf das Thema Mobilität mit dem Fahrrad und Österreich überzeugt im Bereich energetische Sanierung. Insgesamt sehe ich gute Chancen, dass sich Deutschland in all diesen Bereichen kontinuierlich verbessern und von anderen Ländern lernen kann.

Zur Person

Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet seit 2004 die Abteilung „Energie, Verkehr, Umwelt“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Als Professorin für Energiewirtschaft und Energiepolitik agiert sie außerdem an der Leuphana Universität in Lüneburg.

„Unlearn CO₂ (ein Sammelband voller Klimalösungen)“ lautet der Titel ihres aktuellen Buchs (Ullstein Verlag). Mitherausgeber sind die Journalisten Manuel Kronenberg und Julien Gupta.

Im Rahmen der „High Level Group on Energy and Climate“ arbeitete sie beratend für EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Darüber hinaus war und ist die Wirtschaftswissenschaftlerin in Beiräten verschiedener Forschungsinstitute tätig und als Jurorin zahlreicher Preise aktiv. Darunter der Deutsche Studienpreis oder der Deutsche Umweltpreis.

Studiert hat Claudia Kemfert Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten von Bielefeld, Oldenburg und Stanford. Im Anschluss an ihre Promotion 1998 an der Universität Oldenburg forschte sie an der Fondazione Eni Enrico Mattei (FEEM) in Mailand. In dieser Zeit war sie zwischen Rom und Bonn erstmals als Politikberaterin im Einsatz.