„Wir unterstützen Non-Profit-Organisationen mit technischem Fachwissen und bei ihren digitalen Projekten“
Was wäre, wenn gemeinnützige Einrichtungen mit den gleichen digitalen Ressourcen ausgestattet wären, die Unternehmen zur Steigerung ihrer Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit nutzen? Diese Frage stellte sich das Gründerteam von VoluLink, als es 2024 mit seiner Plattform an den Start ging. Welche Idee hinter dem Geschäftsmodell steckt, wer davon profitiert und wo die Sozialwirtschaft in puncto Digitalisierung steht, erzählen die beiden Gründer Moritz Hall und Jade Dyett im Interview.
Können Sie mir das Geschäftsmodell von VoluLink kurz beschreiben?
Moritz Hall: Unser Geschäftsmodell integriert drei Parteien: gemeinnützige Organisationen, Universitäten und privatwirtschaftliche Unternehmen. Ziel ist es, für alle Beteiligten einen Mehrwert und so eine Win-Win-Win-Situation zu schaffen. Dabei wird zunächst der Unterstützungsbedarf bei der Digitalisierung der gemeinnützigen Organisationen identifiziert und ein Projekt definiert. Anschließend sprechen wir Universitätslehrstühle an, um IT-Studierende zu finden, die im Rahmen eines Universitätskurses bei den Projekten unterstützen können. Im letzten Schritt vermitteln wir Unternehmensmentoren aus der Privatwirtschaft, die die Studierenden mit ihrer Expertise begleiten. So profitieren die gemeinnützigen Organisationen von Unterstützung bei digitalen Themen, die Studierenden von der praxisnahen Anwendung ihres Wissens und die Unternehmen vom direkten Kontakt zu den jungen Talenten, durch den sie sich schon frühzeitig als potenzieller Arbeitgeber ins Gespräch bringen können.
– Moritz Hall, Gründer VoluLinkDa wir uns beide schon länger in unserer Freizeit gemeinnützig engagieren, ist uns aufgefallen, dass die Digitalisierung in Vereinen und sozialen Organisationen noch deutlich ausbaufähig ist und viele Potentiale nicht genutzt werden.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, gemeinnützige Arbeit mit IT-Projekten zu verbinden?
Moritz Hall: Da wir uns beide schon länger in unserer Freizeit gemeinnützig engagieren, ist uns aufgefallen, dass die Digitalisierung in Vereinen und sozialen Organisationen noch deutlich ausbaufähig ist und viele Potentiale nicht genutzt werden. Ich war hauptsächlich im Sportverein aktiv und habe dort mitbekommen, dass das Thema Website oder ein gutes Datenmanagement lange Probleme bereitet haben. Da Jade und ich Wirtschaftsinformatik studiert und dabei spannende Praxisprojekte durchgeführt haben, die bisher nie bei einem Kunden umgesetzt wurden, haben wir erkannt, dass wir die Expertise von Wirtschaftsinformatik- und IT-Studierenden sinnvoller einsetzen könnten, um so eine Brücke zu gemeinnützigen Organisationen zu schlagen.
Jade Dyett: Im Rahmen unserer Werkstudentenjobs ist uns aufgefallen, dass es eine riesige Lücke zwischen der Corporate-Welt und dem Sozialsektor gibt. Den gemeinnützigen Organisationen fehlen schlicht und einfach die personellen und finanziellen Ressourcen, um das erforderliche IT-Know-how aufzubauen. Um diese Lücke zu füllen, haben wir überlegt, wie wir dieses Thema in der Gesellschaft verankern und Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen können. Denn so können wir Vorteile für alle Beteiligten und gleichzeitig nachhaltige Lösungen schaffen.
– Jade Dyett, Gründer VoluLinkWir finanzieren uns ausschließlich über Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden sinnstiftende Projekte ermöglichen und sich frühzeitig mit den Talenten von Morgen vernetzen möchten.
Und wie finanzieren Sie Ihr Geschäftsmodell?
Jade Dyett: Soziale Einrichtungen und Universitäten müssen nichts für unsere Dienstleistung zahlen. Wir finanzieren uns ausschließlich über Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden sinnstiftende Projekte ermöglichen und sich frühzeitig mit den Talenten von Morgen vernetzen möchten. Durch ihre Mentoren-Tätigkeit können sie sich in den Projekten als attraktiver Arbeitgeber präsentieren und die Studierenden intensiver kennenlernen als bei einem herkömmlichen Bewerbungsprozess.
Und in welchen Bereichen bieten Sie konkrete Unterstützung an?
Moritz Hall: Wir bieten Non-Profit-Organisationen Zugang zu technischem Fachwissen und unterstützen sie bei ihren Digitalisierungsprojekten. Das kann zum Beispiel bei der Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie anfangen und erstreckt sich bis hin zur Entwicklung von KI-Assistenten für bestimmte Anwendungsfälle. Dabei achten wir darauf, dass unsere Projekte einen Mehrwert schaffen und nicht nur dem Selbstzweck dienen. Um das sicherzustellen, messen wir Kennzahlen der einzelnen Projekte, auch nach deren Abschluss. Dies umfasst sowohl den reinen Output wie die Anzahl der eingebrachten Stunden als auch die Outcomes wie Zeit- und Geldeinsparungen bei den gemeinnützigen Organisationen.
Wie kann ich als Non-Profit-Organisation Ihre Dienste in Anspruch nehmen?
Moritz Hall: Um teilzunehmen, müssen sich die Organisationen nur auf unserer Website registrieren. Dann führen wir ein kurzes persönliches Gespräch mit den Verantwortlichen, um die Herausforderungen, Zielvorstellungen und Erwartungen zu klären. Auf Basis dieser Angaben definieren wir meist ein konkretes Projekt. Als Beispiel: Die Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit eines gemeinnützigen Webshops.
Anschließend gehen wir auf die Professoren zu. Im genannten Beispiel sind wir auf einen Lehrstuhl für Digital Commerce an der Universität Regensburg zugegangen, bei dem sich die Studierenden mit Themen wie Onlinehandel oder Webshops befassen. Sobald wir alle Parteien an Bord haben, startet das Projekt mit einem Kick-off-Termin, bei dem alle Beteiligten – also die Non-Profit-Organisation, die Studierenden, die Mentoren aus dem Unternehmen und wir als Moderatoren zusammenkommen. Dabei können die Studierenden Fragen stellen und erhalten zudem die erforderlichen Informationen, um tätig werden zu können. Wir begleiten das Projekt mit einem Zwischentermin, einer abschließenden Übergabe sowie einer Abschlusspräsentation.
Werde ich auch unterstützt, wenn ich keine Non-Profit-Organisation bin, sondern hinter meiner Einrichtung ein großer Träger steht?
Moritz Hall: Wir sind hier ziemlich offen und entscheiden das nach gesundem Menschenverstand. Auch wenn eine kleinere Einrichtung aus der Sozialwirtschaft auf uns zukommt, hinter der ein größerer Träger steht, würden wir eine Zusammenarbeit nicht grundsätzlich ablehnen, denn es ist uns wichtig, dass auch sie Unterstützung bekommen. Deshalb fragen wir immer genau nach, um sicherzustellen, dass unser Ansatz flexibel genug ist, um den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Was war das erfolgreichste Projekt, das Sie bislang realisiert haben?
Jade Dyett: Wir haben bislang rund 14 Digitalisierungsprojekte umgesetzt. Anfang dieses Jahres haben wir unser erstes großes Projekt mit der Universität Regensburg abgeschlossen, welches ein voller Erfolg war. Wir sind derzeit noch in der Auswertung und prüfen den langfristigen Impact. Bei diesem Projekt haben 15 Studierende gemeinsam mit drei Unternehmens-Mentoren eine digitale Vertriebsstrategie für einen Kulturverein entwickelt, der in Zusammenarbeit mit Behindertenwerkstätten und ehrenamtlichen Mitarbeitenden nachhaltige Taschen aus alten Veranstaltungsbannern herstellt. Dadurch fördert der Verein die Kreislaufwirtschaft und baut sich gleichzeitig ein zweites finanzielles Standbein auf, um Menschen Kulturangebote zugänglich zu machen, die sich diese normalerweise nicht leisten können. Um die Strategie zukunftsfähig zu gestalten, wurden zahlreiche Inspirationen und Beiträge gesammelt, die in das Projekt eingeflossen sind. Daraus ist ein echter sozialer Mehrwert entstanden, der Bedürftigen zugutekommt. Jetzt sind wir gespannt, wie das Projekt weiter umgesetzt wird und welche konkreten Ergebnisse daraus resultieren. Für uns war das ein Meilenstein, weil es gezeigt hat, dass Interesse auf Unternehmensseite besteht und überzeugende Ergebnisse auf Universitätsseite entstehen.
– Jade Dyett, Gründer VoluLinkIn Deutschland gibt es über 600.000 Vereine, von denen mehr als die Hälfte vor großen Herausforderungen bei der Digitalisierung steht.
Wie beurteilen Sie den aktuellen Digitalisierungsgrad der Sozialwirtschaft?
Moritz Hall: Die Situation ist sehr ambivalent. Es gibt Organisationen und Verbände, die hinsichtlich ihrer Infrastruktur, durch schlanke Prozesse und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in innovativen Bereichen sehr gut aufgestellt sind. Aber es gibt auch viele kleine Vereine und Organisationen, bei denen es an fast allem mangelt – von einer funktionalen Website über Cloud-Speicher bis hin zu digitalen Tools, bei denen Daten sicher und lokal verarbeitet werden sollten. Hier gibt es viel Aufklärungsbedarf und erhebliches Steigerungspotenzial.
Jade Dyett: Um dies mit Zahlen zu untermauern: In Deutschland gibt es über 600.000 Vereine, von denen mehr als die Hälfte vor großen Herausforderungen bei der Digitalisierung steht. Wenn man langfristig denkt und den Beteiligten mit kleinen Einsparungen oder Optimierungen helfen kann, gewinnen sie viel Zeit für das, was im sozialen Kontext wirklich zählt – nämlich den Menschen.
Welche Herausforderungen könnten in der Sozialwirtschaft mit digitalen Lösungen angegangen werden?
Jade Dyett: Das Spektrum ist sehr breit, es gibt es viele verschiedene Ansätze. Wir untersuchen zunächst, wo die Einrichtungen gut aufgestellt sind und wo es noch hakt. Tatsächlich gibt es kein klassisches Profil, aber an fast jeder Stelle Optimierungspotenzial. Wir haben festgestellt, dass viele Organisationen gar nicht wissen, was technisch alles möglich ist. Wenn wir diese Wissenslücke schließen, verändert sich auch das Mindset bei den sozialen Einrichtungen, weil sie erkennen, dass ihnen die Digitalisierung ganz neue Möglichkeiten eröffnet, an die sie vorher gar nicht gedacht haben. Und diesen Hebel nutzen wir ganz gezielt. Dabei ist KI ein großes Thema, aber auch Prozessautomatisierungen und -optimierungen sowie Website-Management werden stark nachgefragt.
Moritz Hall: Da knüpfe ich gerne an. Unsere Projekte können in drei Bereiche gegliedert werden: Erstens, die Digitalisierungsberatung, bei der wir uns entweder die gesamte Infrastruktur oder bestimmte Bereiche wie einen Webshop anschauen und Optimierungen vorschlagen. Zweitens, konkrete Prozessoptimierungen oder Automatisierungen. Ein Beispiel ist ein aktuelles Projekt mit einem Regensburger Verein, der Schulbegleitungen für Schüler mit Behinderung organisiert. Da die Verwaltung ausschließlich in Excel-Dateien organisiert ist, kostet die Verwaltung sehr viel Zeit. Hier könnte eine Datenbanklösung helfen, die derzeit von einem Studententeam entwickelt wird. Drittens, die konkrete Entwicklung von IT-Lösungen, wie zum Beispiel einem KI-Assistenten. Diese Bereiche gehen wir an, um den sozialen Organisationen einen Mehrwert zu bieten.
Welche künftigen Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Digitalisierung der Sozialwirtschaft?
Jade Dyett: Ich denke, dass Open-Source-Entwicklungen, bei der die Quellcodes von Softwarelösungen öffentlich zugänglich gemacht werden, eine immer größere Rolle spielen wird. Diesen Ansatz wollen wir mittelfristig verfolgen, da wir so Lösungen schaffen können, die möglichst vielen sozialen Einrichtungen zugutekommen. Neben Open Source finden aber auch klassische Themen in der Corporate-Welt Anklang. Unser Ziel ist es, die Lücke zwischen diesen Welten zu schließen und den Wissenstransfer zu fördern.
Moritz Hall: Ein weiteres Thema ist natürlich künstliche Intelligenz und ein sinnvoller und verantwortungsvoller Umgang damit. Die Technologie bietet auch für Non Profits extrem viel Potenzial. Was jedoch meiner Meinung nach im sozialen Bereich bisher noch unter dem Radar fliegt, ist auch das Thema IT-Sicherheit. Auch hierzu veranstalten wir demnächst ein kostenloses Online-Seminar.
VoluLink wird aktuell mit 175.000 Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Hier können Sie mehr über das Start-up und sein Engagement erfahren: https://volulink.de/