Branchen Soziales Kirche Gesundheit Versicherungen Mitarbeitende & Vorsorge Betriebliche Altersvorsorge

Dirk Dettbarn im Interview: Der Aktuar spricht über seine Arbeit bei ecpension&benefits

Betriebliche Altersvorsorge ist ein komplexes Feld, auch für Unternehmen aus dem Gesundheits-, Kirchen- und Sozialbereich. Versorgungszusagen müssen nicht nur korrekt berechnet, sondern auch langfristig abgesichert werden. Dirk Dettbarn, Geschäftsführer und Aktuar DAV bei der Ecclesia Gruppe, erklärt im Interview, welche Rolle der Aktuar dabei spielt, wie seine Expertise konkret Mehrwert schafft und welche Entwicklungen die Altersvorsorge in den kommenden Jahren prägen werden.

Was macht ein Aktuar eigentlich – gerade in einem Versicherungsmaklerunternehmen wie der Ecclesia Gruppe?

Dirk Dettbarn: Ein Aktuar ist ein Versicherungsmathematiker und arbeitet klassisch beim Versicherer. Dort geht es vor allem um Risikobewertung, Tarifierung und Reserven, also darum, dass die Produkte eines Unternehmens sicher kalkuliert sind und die Versicherung langfristig zahlen kann. Aktuare sind aber sehr vielseitig einsetzbar. In der Ecclesia Gruppe arbeiten wir in der Altersvorsorge, im Rückversicherungsmaklergeschäft sowie im Produkt- und Portfoliomanagement.

Die Tätigkeit als Aktuar bei ecpension&benefits umfasst Rückstellungsberechnungen, Risikoanalyse und ganzheitliche Beratung. Es wird geprüft, welche Lösungen für Altersvorsorge oder Berufsunfähigkeit passend sind, Beiträge werden berechnet und sichergestellt, dass Makler und Kunden Zahlen und Chancen nachvollziehen können. Im Fokus stehen dabei nicht nur klassische Versicherungsprodukte, sondern auch ältere Versorgungswerke, die teilweise seit Jahrzehnten bestehen.  

Ich vergleiche den Aktuar dabei gerne mit jemandem, der den Maschinenraum eines Autos kennt: Wir verstehen die Mechanik der Altersvorsorge, können sie optimal einsetzen, Risiken einschätzen und Verbesserungen aufzeigen. So schaffen wir Transparenz, Planbarkeit und langfristige Sicherheit. So schaffen wir für Arbeitgeber Effizienzvorteile und für Beschäftigte höhere, verlässliche Leistungen.

Und auf welcher Datengrundlage führen Sie Ihre Bewertungen durch?

Unsere Bewertungen basieren auf zwei wesentlichen Datenquellen. Erstens nutzen wir Sterbetafeln, um statistische Wahrscheinlichkeiten zu nutzen – zum Beispiel, wie viele Versorgungsleistungen wir in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren zahlen müssen. Zweitens arbeiten wir mit den Personaldaten der Arbeitgeber, also den tatsächlichen Beschäftigten, die eine Altersversorgungszusage haben. Auf Basis dieser Daten berechnen wir Rückstellungen, Hochrechnungen und andere Kennzahlen, die unseren Kunden helfen, die langfristige Finanzplanung für ihre Altersvorsorge verlässlich zu gestalten.

Wir prüfen diese Daten sorgfältig, bereiten sie auf und bringen sie in eine Form, die für unsere Berechnungen notwendig ist. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, Datenqualität sicherzustellen – das ist entscheidend für die Verlässlichkeit der Ergebnisse und den langfristigen Wert der Altersversorgung.

Aktuare schaffen Transparenz und Sicherheit für die Altersvorsorge

– Dirk Dettbarn, Geschäftsführer und Aktuar DAV bei der Ecclesia Gruppe

Wenn Sie jetzt auf Ihre Daten schauen, wie ist Ihre Prognose für 2026?

Das Gute ist, dass Systeme der Altersvorsorge von einem Jahr zum anderen relativ stabil bleiben. Große Änderungen ergeben sich in der Regel nicht kurzfristig – weder für die Arbeitgeber noch für die begünstigten Beschäftigten. Gerade für die Mitarbeitenden ist es besonders wichtig, dass sie eine verlässliche Altersvorsorge haben, die nicht plötzlich sprunghaft zu überraschenden Ergebnissen führt.

Wir können also auch für 2026 weiterhin mit der gleichen Sterbetafel arbeiten. Natürlich ändern sich die Personaldaten beim Arbeitgeber: Mitarbeitende scheiden aus, neue Versorgungsfälle kommen hinzu. Aber im Kern bleibt die Grundlage stabil. Diese Stabilität ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Sozialleistung wertschätzen und langfristig auf sie vertrauen können.

Viele Makler arbeiten mit externen Aktuaren. Was bedeutet es, dass Sie Ihre aktuarielle Expertise direkt in die Beratung einbringen können?

Das ist ein entscheidender Vorteil. Wenn wir unsere Expertise direkt in die Beratung einbringen, können wir Kunden nicht nur Zahlen liefern, sondern aktiv bei der strategischen Planung unterstützen. Wir erstellen zum Beispiel Vorausberechnungen, die es Unternehmen ermöglichen, mittel- und langfristig die Entwicklung ihrer Altersvorsorgeverpflichtungen realistisch einzuschätzen. Das betrifft sowohl die laufenden Ausgaben als auch die Auswirkungen auf die Bilanz. So können Entscheidungen nicht nur kurzfristig, sondern fundiert über Jahre hinweg getroffen werden. Zudem betrachten wir das Risikomanagement: Welche Versicherungslösungen sind sinnvoll? Welche Risiken können ausgelagert werden? Wo bieten sich neue Produkte an, die vorher nicht genutzt wurden? So helfen wir Kunden, Risiken im Blick zu behalten und flexibel auf Veränderungen zu reagieren.

Ein konkretes Beispiel aus der Praxis zeigt diesen Mehrwert sehr gut: Altersversorgungen sind häufig über Zusatzversorgungskassen organisiert, die nicht vollständig kapitalgedeckt sind. Das heißt, gliedert ein Unternehmen bei einer Umstrukturierung Bereiche aus, kann ein hoher einmaliger Finanzierungsbedarf für die Zusatzversorgung entstehen. In solchen Fällen können wir schon im Vorfeld die Größenordnung solcher Verpflichtungen abschätzen und so eine belastbare Planung ermöglichen.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie aktuell im Gesundheits-, kirchlichen und sozialen Bereich im Hinblick auf Vorsorgefragen?

In diesem Bereich haben wir grundsätzlich eine gute Ausgangssituation. Gerade in der Sozialwirtschaft sowie im diakonischen und karitativen Umfeld gibt es häufig eine obligatorische Altersversorgung für Mitarbeitende, die über Zusatzversorgungskassen organisiert wird. Das ist ein großer Vorteil, weil damit eine gewisse Grundabsicherung bereits vorhanden ist. Gleichzeitig sehen wir aber auch Lücken: Häufig fehlen ergänzende Lösungen, etwa zur Absicherung bei Berufsunfähigkeit oder zur betrieblichen Krankenabsicherung. Hier liegt eine zentrale Herausforderung – nicht in der Basisversorgung, sondern in der ganzheitlichen Absicherung. Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Ausgangslage also gut, aber es gibt noch Potenzial, die Vorsorgesysteme breiter und zukunftsfähiger aufzustellen.

Wie kann aktuarielles Know-how helfen, diese Herausforderungen frühzeitig zu erkennen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln?

Unser Know-how erlaubt es, Zusammenhänge und Risiken transparent zu machen und zu erklären, dass viele Systeme nicht so stabil sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Altersversorgung ist kein statisches Konstrukt – sie muss laufend überprüft und angepasst werden.

Deshalb werben wir dafür, Altersvorsorge so zu gestalten, dass sie planbar und verlässlich ist, aber gleichzeitig stärker die Chancen der Kapitalmärkte nutzt. So kann Kaufkraft langfristig stabilisiert werden. Länder wie die Niederlande sind hier deutlich weiter: Dort gibt es obligatorische betriebliche Altersversorgungen mit Arbeitnehmerbeteiligung und einem klaren Fokus auf Kapitalmarktinvestitionen, zum Beispiel in Aktien. Das sorgt dafür, dass die Menschen stärker am Produktivvermögen partizipieren und die Versorgungsniveaus spürbar höher sind.

Was hat sich in den letzten 25 Jahren in der aktuariellen Arbeit verändert?

Sehr viel. Früher konzentrierte sich die Arbeit eines Pensionsaktuars fast ausschließlich auf eine jährliche Rückstellungsberechnung für den Jahresabschluss. Heute sind meist mehrere Bewertungen nötig – für Steuer-, Handels- und internationale Bilanzen. Das bedeutet mehr Analysen, Auswertungen und Beratungsleistungen. Kunden erwarten schnellere, präzisere Ergebnisse, während internes Fachwissen abnimmt – viele Aufgaben, die früher intern erledigt wurden, liegen heute bei uns.

Auch die Digitalisierung hat unsere Arbeit stark verändert. Moderne Berechnungsprogramme, automatisierte Datenaufbereitung und zunehmend auch KI-gestützte Analysen werden uns ermöglichen, komplexe Szenarien viel schneller zu berechnen und präziser abzubilden. Damit hat sich die Rolle des Aktuars vom reinen „Zahlenlieferanten“ hin zum strategischen Partner weiterentwickelt.

Ein weiterer Punkt ist die demografische Entwicklung. Die Lebenserwartung ist über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich gestiegen – das hatte direkte Auswirkungen auf die Finanzierung von Altersversorgungssystemen. In den letzten Jahren ist dieser Trend allerdings ins Stocken geraten, nicht zuletzt durch die Pandemie. Ob die Lebenserwartung künftig weiter steigt oder stagniert, ist derzeit offen – und das macht die Planung und Kalkulation kollektiver Alterssicherungssysteme unsicherer.

Wie wird sich die Arbeit der Pensionsaktuare in den kommenden Jahren entwickeln?

Ich erwarte, dass kapitalmarktorientierte Lösungen an Bedeutung gewinnen, flexible Modelle eingesetzt werden und KI viele Routineaufgaben übernimmt. Die Rolle des Aktuars wird noch entscheidender: Beratung, Risikomanagement und strategische Planung nehmen mehr Raum ein, während klassische Rückstellungsberechnungen weniger Zeit beanspruchen.