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Lithium-Ionen-Akkus: Sicherheit statt Risiko – mehr Schutz für Kliniken und Pflegeeinrichtungen

Ob Handy, E-Bike oder medizinisches Gerät – Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Doch immer wieder sorgen sie für Schlagzeilen, wenn sie überhitzen oder sogar explodieren. Maik Reimann, Experte für Batterie- und Brandschutz bei der zur Ecclesia Gruppe gehörenden SCHUNCK GROUP, erklärt im Interview, warum Akkus brennen können, welche Sicherheitsmaßnahmen Kliniken und Pflegeeinrichtungen treffen sollten – und wie sich Risiken im Alltag gezielt verringern lassen.

Herr Reimann, warum nimmt die Anzahl an explodierenden oder brennenden Handy- und Laptop-Akkus weiter zu?

Maik Reimann: Die Akkutechnologie entwickelt sich rasant – die Anpassung von Normen und Sicherheitsstandards braucht aber Zeit, bis sie in allen Produktbereichen umgesetzt ist. Hersteller wollen Geräte mit mehr Leistung, weniger Gewicht und kürzeren Ladezeiten entwickeln – das geht manchmal zulasten der Sicherheit. Wird in einer Lithium-Ionen-Zelle der sogenannte Separator – eine hauchdünne, poröse Folie – beschädigt, etwa durch einen Sturz oder starke Erwärmung, kann es zu einem internen Kurzschluss kommen. Das enthaltene Elektrolyt reagiert und bildet Gase. Viele Zellen besitzen Druckentlastungsventile, über die diese Gase entweichen können. Entzünden sie sich, entstehen Stichflammen. Ein Aufblähen des Geräts ist daher ein Warnsignal – der Akku sollte sofort außer Betrieb genommen werden.


Sind alle Akkus Gefahrenquellen oder betrifft dies nur Lithium-Ionen-Akkus?

Maik Reimann: Nicht alle Akkutypen verhalten sich gleich. Nickel-Cadmium- oder Nickel-Metallhydrid-Akkus sind robuster, haben aber eine geringere Energiedichte. Derzeit wird an Alternativen wie Eisenphosphat-, Natrium- oder Feststoffbatterien gearbeitet. Feststoffsysteme enthalten kein flüssiges Elektrolyt mehr, das verdampfen oder brennen könnte. Bis diese Technologien umfassend verfügbar sind, bleiben Lithium-Ionen-Akkus jedoch die dominierende Technik.

 

 

Ein Handy mit aufgeblähtem Akku gehört nicht ins Patientenzimmer.

– Maik Reimann

Welche typischen Ursachen führen dazu, dass ein Akku überhitzt oder Feuer fängt?

Maik Reimann: Häufig liegt es am falschen Umgang: Akkus fallen herunter, liegen in der Sonne, werden mit minderwertigen Ladegeräten betrieben oder unbeaufsichtigt geladen. Auch im professionellen Umfeld – etwa bei E-Bikes, hochwertigen Werkzeugen oder Reinigungsgeräten – kommt es durch unsachgemäße Behandlung zu Schäden. Wird ein beschädigter Akku weiter genutzt oder geladen, kann er sich überhitzen. Ein sogenannter „Thermal Runaway“ setzt eine Kettenreaktion in Gang, die zu einem Brand führen kann.

Kann es gefährlich sein, das Handy über Nacht zu laden?

Maik Reimann: Bei geprüften Geräten mit Original-Ladegeräten besteht kaum ein Risiko. Problematisch sind nicht zertifizierte, beschädigte oder sehr alte Geräte, deren Schutzschaltungen nicht zuverlässig arbeiten. Da Handys oft direkt neben dem Bett liegen, ist das Risiko im Ernstfall größer – denn im Schlafzimmer befinden sich viele leicht brennbare Materialien. Sicherer ist es, Geräte beim Laden auf eine nicht brennbare Unterlage zu legen und möglichst tagsüber zu laden.

Welche Schutzmechanismen bauen Hersteller inzwischen ein?

Maik Reimann: In größeren Systemen – etwa bei E-Bikes, Elektrofahrzeugen oder Solarspeichern – sorgt ein Batteriemanagementsystem (BMS) für die Überwachung von Temperatur, Spannung und Ladezustand. In kleineren Geräten ist diese Technik aus Platz- und Kostengründen oft eingeschränkt. Daher sind Anwender und Betreiber gefordert, sorgfältig mit der Technik umzugehen. In Kliniken oder Pflegeeinrichtungen helfen klare Regeln und Schulungen, Risiken zu minimieren.

Was passiert, wenn Akkus falsch entsorgt werden?

Maik Reimann: Das ist ein ernstes Problem. Werden Akkus im Hausmüll entsorgt, können sie beim Transport oder Pressen beschädigt werden. Da immer Restenergie vorhanden ist, kann es zu Kurzschlüssen und Bränden kommen – auch in Müllfahrzeugen oder Recyclinganlagen. Entsorgte Lithium-Ionen-Akkus gehören deshalb ausschließlich in Sammelstellen, etwa im Handel oder auf Wertstoffhöfen.

Und wenn es tatsächlich brennt – entstehen dann gefährliche Chemikalien?

Maik Reimann: Beim Brand eines Lithium-Ionen-Akkus können fluorhaltige Verbindungen, insbesondere Fluorwasserstoff (HF), freigesetzt werden. Diese Gase sind giftig, verflüchtigen sich aber meist rasch in der Umgebungsluft. Trotzdem gilt: Akkus sollten nicht in schlecht belüfteten Räumen oder Schlafzimmern gelagert werden. Zur Brandbekämpfung ist Wasser grundsätzlich geeignet und nach VdS- und DGUV-Richtlinien ausdrücklich zulässig.

Akkus sollten niemals in Räumen mit hoher Brandlast geladen oder gelagert werden

– Maik Reimann

Wie sollten Kliniken und Pflegeeinrichtungen mit Akkus umgehen?

Maik Reimann: Entscheidend ist eine Gefährdungsbeurteilung, egal ob es sich um fest verbaute oder austauschbare Akkus handelt. Akkus sollten niemals in Räumen mit hoher Brandlast – zum Beispiel Wäschekammern – geladen oder gelagert werden. Die DGUV-Information „205-041“ bietet hierzu konkrete Handlungsempfehlungen. Darüber hinaus sind feuerbeständige Ladeschränke und Sichtprüfungen auf Beschädigungen empfehlenswert. Auch Patienten- oder Bewohnergeräte sollten überprüft werden: Ein Handy mit aufgeblähtem Akku gehört nicht ins Patientenzimmer.

Sind spezielle Versicherungen für solche Fälle erforderlich?

Maik Reimann: Grundsätzlich sind Brände über die Gebäude- und Inhaltsversicherung abgedeckt. Kommt es durch ein Patienten- oder Besuchergerät zu einem Schaden, kann im Einzelfall geprüft werden, ob eine private Haftpflichtversicherung des Verursachers greift. Das ist jedoch oft schwer nachweisbar – daher sollte Prävention im Vordergrund stehen.

Was ist Ihr wichtigster Rat zu dieser Thematik?

Maik Reimann: Mit gesundem Menschenverstand und technischer Achtsamkeit handeln. Akkus können heute fast überall integriert werden – vom Hörgerät bis zum E-Auto. Wer sie respektvoll behandelt, regelmäßig prüft, richtig lagert und lädt, reduziert das Risiko deutlich. Nicht die Technologie ist gefährlich, sondern Nachlässigkeit im Umgang mit ihr.