
An der Seite unserer Kunden: Johanna Brinkmann spricht über wertvolle Erfahrungen im Johanniter-Rettungseinsatz
Sie berichtet im Interview über ihren Einsatz, die Herausforderungen des RTW-Dienstes, den Austausch mit den Mitarbeitenden und neue Erkenntnisse durch ihre Erfahrungen – für das Team des Ecclesia-Kompetenzcenters Mobility und sie persönlich.
Frau Brinkmann, wie ist die Idee für Ihren Perspektivwechsel entstanden – und was war Ihre Intention?
Johanna Brinkmann: Einmal im Jahr haben mein Kollege Markus Schäfer und ich einen Jahrestermin mit den gesamten Landes- und Bundesvorständen der Johanniter. In diesem Zusammenhang saß ich beim Abendessen neben dem Landesvorstand aus Hessen/Rheinland-Pfalz/Saar. Wir kamen in einem sehr intensiven Gespräch über Schäden, Unfallvermeidung und Belastung im Rettungsdienst vor Ort darauf, dass wir dem Kunden im Versicherungsbereich eine umfassende Risikoberatung anbieten können, bei der er erfährt, wie Unfälle vermieden und die Mitarbeitenden auch im Umgang mit den Fahrzeugen geschult werden können. Aber ehrlicherweise wissen wir nicht, wie die genauen Abläufe sind, wenn ein Notfall im Rettungsdienst eintritt.
Wie belastend ist es wirklich bei einem Einsatz – je nach dem, was von der Leitstelle gemeldet wird – und vor welchen Herausforderungen stehen die Kollegen dann? Daraufhin habe ich mein Interesse geäußert, diesen Perspektivwechsel gerne umsetzen zu wollen. Nur einen Tag später meldete sich ein Mitarbeiter aus dem Landesverband Hessen und hat mir eine Hospitation angeboten. Nicht nur auf dem Rettungswagen (RTW), sondern auch im Bereich Fahrdienste und in der Pflege. Leider konnten wir zeitlich bedingt zunächst nur den Nachtdienst auf dem RTW umsetzen, aber die anderen Bereiche schaue ich mir im Laufe dieses Jahres gerne noch an. Dann gibt es sicher auch einen weiteren RTW-Dienst.

– Johanna BrinkmannEs ist eine große Verantwortung, mit einem Patienten, der körperlich beeinträchtigt und mental angespannt ist, unterwegs zu sein – mit nur einem kurzen Zeit-Slot bis zur Ankunft im Krankenhaus.
Gab es Ereignisse, Herausforderungen oder Abläufe, die Sie besonders gefordert oder überrascht haben?
Johanna Brinkmann: Herausfordernd fand ich persönlich die Vielzahl an Themen, die vor und auch nach so einem Einsatz erledigt werden müssen. Gerade wenn noch persönlich erlebte Situationen im Kopf „festhängen“, aber trotzdem ein klarer Kopf für die kommenden Einsätze wichtig ist.
Und natürlich mit der Brille des Versicherungsmaklers: Wie ist die Situation bei einem Blaulicht-Einsatz auf einer viel befahrenen Straße – und wie genau sind manche Einfahrten oder Parkplätze von Kliniken und Wohngebieten aufgebaut? Es ist eine große Verantwortung, mit einem Patienten, der eh schon körperlich beeinträchtigt und natürlich auch mental angespannt ist, unterwegs zu sein – und nur einen kurzen Zeit-Slot zu haben bis zur Ankunft im Krankenhaus. Dann ist es absolut erforderlich, trotzdem Ruhe zu bewahren, klar zu handeln und den Überblick zu behalten. Hier geht es um Menschen – wenn bei mir mal eine E-Mail liegen bleibt, ist das entstehende Risiko eher überschaubar.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit und den Teamgeist wahrgenommen? In welchen Momenten wurde der Zusammenhalt besonders deutlich?
Johanna Brinkmann: Wahnsinn! Ich dachte immer, dass mein Team und ich großartig zusammenarbeiten und wir uns die Bälle gut hin und her spielen – aber wenn ich dann die Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst sehe und begreife, wie dort einzelne „Prozesse“ Hand in Hand gehen (müssen), ist der Teamspirit ein ganz anderer als bei uns. Ich will nicht sagen besser, aber anders. Die Mitarbeitenden wechseln auch ihre Schichten, arbeiten nicht immer mit denselben Kollegen zusammen und trotzdem funktioniert auch die sehr wichtige nonverbale Kommunikation hervorragend. Der Schutz von Teammitgliedern in bestimmten Situationen nimmt ebenfalls einen hohen Stellenwert ein, alle beobachten auch das Umfeld und agieren miteinander.

– Johanna BrinkmannManchmal ist es wichtig, den eigenen Blickwinkel zu verändern, in Themen inhaltlich mit mehr Abstand und einem anderen Fokus einzusteigen.
Inwiefern hat der Einsatz in Gießen Ihre Sichtweise auf Ihre eigene berufliche Rolle und Ihren Berufsalltag verändert und positiv beeinflusst?
Johanna Brinkmann: Manchmal ist es wichtig, seinen eigenen Blickwinkel zu verändern, in Themen inhaltlich mit mehr Abstand und einem anderen Fokus einzusteigen. In meiner täglichen Praxis mit den Verhandlungen bei den Versicherern geht es immer um unsere Kunden und deren Bedürfnisse. Manchmal ist es aber auch sehr positiv, wenn wir neben den reinen Schadendaten und Versicherungsthemen dem Risikoträger einmal die Tagespraxis unserer Kunden näherbringen können. Und das nicht nur aus der Theorie heraus durch Videos oder Ähnliches, sondern indem wir ihm anhand von Erlebtem spiegeln, dass zum Beispiel ein Poller, der in der Einfahrt zu einem Krankenhaus als Hindernis im Weg steht, in einem Notfall touchiert werden muss – gerade wenn ein Patient transportiert und versorgt wird, in dessen gesundheitlichem Zustand jede Sekunde zählt. Blech ist ersetzbar, das Leben des Patienten nicht. Auch das Zusammenspiel mit anderen Rettungsdienst-Einheiten, die nicht zur JUH gehören, ist spannend zu sehen. Hier geht es wenig darum, wer was kann oder wer mehr Einsätze fährt. Alle tauschen sich auf Augenhöhe aus, es werden auch mal ein paar Witze erzählt und wenn es drauf ankommt, stützen sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig.
Welche Aspekte oder Erkenntnisse möchten Sie in Ihre tägliche Arbeit mit Ihrem Team und Ihren Kunden integrieren?
Johanna Brinkmann: Mehr Verständnis für gewisse Schadenhergänge und Schadenereignisse zu entwickeln, ist ein wichtiger Aspekt. Ein weiteres Ziel: im Team – sowohl mit den Kunden als auch den Kollegen – die Gedanken hinter den ausgesprochenen Worten besser zu verstehen und gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten – auf Augenhöhe und mit dem nötigen Weitblick.
Wie lief die Vorbereitung und welche Erlebnisse waren für Sie besonders eindrucksvoll?
Johanna Brinkmann: Zunächst einmal wurde ich auf der Wache in Gießen sehr herzlich empfangen. Ich konnte mir die Umgebung ansehen, mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Dienst vom Tag über deren Einsätze und natürlich auch mit jüngeren Kollegen über die Belastung sprechen, die manche Einsätze so mit sich bringen. Und hier geht es nicht unbedingt um Todesfälle oder ähnliche Themen, sondern um Einsätze bei schweren Unfällen, unklaren Einsätzen – und wie die Gesamtsituation vor Ort sich darstellt. Auch das Thema der Nacharbeit ist wichtig, wenn das Team von einem Einsatz wieder zur Wache fährt. Manchmal bleibt wenig Zeit, um die Eindrücke sacken zu lassen, weil es direkt in den nächsten Einsatz geht. Der Rettungswagen muss wieder gereinigt, genutzte Utensilien aufgefüllt und entsprechende Protokolle verfasst werden.